Heute möchte ich als Frau, Mutter und Gynäkologin über ein weiteres, wie ich finde, sehr wichtiges Thema schreiben. Es geht um das Thema Brustkrebs in der Familie. Meiner Meinung nach wird dieses Thema von betroffenen Frauen häufig verdrängt, da es eher unangenehme Emotionen hervorruft, nach dem Motto: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“.
Wenn ich meinen Frauen in der Sprechstunde dann die folgenden Infos zum Thema mitteile, werden ihnen oft erst einmal die Möglichkeiten der Prävention bewußt, nicht nur für sich, sondern auch für ihre Kinder.
Warum reden wir überhaupt über dieses Thema?
Die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist Brustkrebs mit ca 30% (Stand Robert-Koch- Institut Weltkrebstag 2020). Dabei haben 20% der erkrankten Frauen eine vererbte Mutation im BRCA1/BRCA2 oder RAD51C-Gen. Da sie somit relativ häufig vorkommt, ist über diese Mutationen, schon sehr viel bekannt. BRCA steht für breast cancer. Das Problem bei den oben genannten Mutationen ist, daß der Brustkrebs sehr viel häufiger zum Ausbruch kommt, als bei den Frauen ohne obengenannte Mutation. Leider dann auch häufiger bei jüngeren Frauen, d.h. vor dem 50 Lebensjahr.
Wann kann ich betroffen sein?
Diese Mutation im BRCA1/2-Gen wird autosomal-dominant vererbt, d.h. sie kann mit einer Wahrscheinlichkeit zu 50% auf die Töchter und aber auch auf die Söhne übertragen werden.
Was bedeutet das für mich?
In meiner Sprechstunde frage ich im Kennenlerngespräch meine Patientinnen immer nach der Familienanamnese. In diesem Zusammenhang erzählte mir eine Patientin, dass ihre Oma, Tante und Mutter an Brustkrebs erkrankt seinen. Daraufhin fragte ich, ob bereits eine humangenetische Untersuchung erfolgt sei, um eine genetische Mutation auszuschließen? Darauf antwortete meine Patientin exemplarisch für viele andere: „Sie möchte das eigentlich gar nicht wissen“. Das kann ich zwar verstehen, spürte aber, dass die Patientin aufgrund der Erfahrung mit der Erkrankung ihrer Mutter viele Ängste in sich trug. Ich versuche in solchen Situationen dann zu erklären, was es für Vorteile hat Gewissheit zu haben. Falls eine Mutation in der Familie vorliegt, dann kann man zu 50% die Mutation nicht geerbt haben, und hat dann das gleich Risiko an Brustkrebs zu erkranken, wie die Normalbevölkerung. Allerdings kann man auch zu 50% die Mutation geerbt haben, was aber auch nicht heißt, dass man zwangsläufig erkranken wird, jedoch ist das Risiko zu erkranken sehr viel höher. Bei einer gefundenen Mutation liegt das Risiko für die Frau bei 80% bis zum 80. Lebensjahr einen Brustkrebs zu bekommen. Und das ist leider ganz schön hoch. Allerdings hatte meine Patientin dann die Möglichekit zeitiger am Früherkennungs-programm teilzunehmen. Ich finde das sehr sinnvoll, da wir Frauen zum Glück mit den heutigen Möglichkeiten zur Erkennung und Therapie des Brustkrebses im Frühstadium, eine sehr hohe Überlebenswahrscheinlichkeit haben.
Hab ich ein Recht auf Nichtwissen?
Natürlich hat man auch das Recht keine Untersuchungen durchzuführen, wie ursprünglich von meiner Patientin gewünscht! Das Ganze ist freiwillig und soll nur der eigenen Sicherheit bzw. dem Schutz von Verwandten und den eigenen Nachkommen dienen. Mir ist dabei wichtig, das ihr euch der Konsequenzen für euch bewusst seid und dann erst entscheidet! Natürlich können solche Untersuchungen auch Angst schüren, das etwas ist bei jeder Untersuchung und es kann auch zu falsch positiven Ergebnissen führen und übereilten Untersuchungen. Daher solltet ihr für euch aktiv abwägen, welcher Weg für euch der richtige ist.
- Das Recht auf Nichtwissen, mit dem Glauben: „Mir passiert schon nichts!“, und dem Restrisiko das der Brustkrebs bei euch erst spät entdeckt wird.
- Das Recht des Wissens, mit der Chance dass ich die Mutation nicht habe, oder wenn ich sie habe, dann für mich alles mögliche zu tun und entsprechende Präventionsprogramme wahrzunehmen.
Wer wird getestet?
Es ist möglich mithilfe von genetischen Tests herauszufinden, ob eine oder mehrere der Mutationen vorliegen. Sinnvoll ist ein Test aber nur bei Hochriskopatienten, bzw. deren Angehörigen. Diese können sich testen lassen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
- eine Frau vor dem 36. Lebensjahr von Brust- oder Eierstockkrebs betroffen ist
- eine Frau von zwei Brustkrebserkrankungen betroffen ist, und die Ersterkrankung vor dem 51. Lebensjahr liegt
- eine Frau von Brustkrebs und Eierstockkrebs betroffen ist, egal in welchem Alter
- eine Frau von Brustkrebs und eine Frau von Eierstockkrebs betroffen ist, egal in welchem Alter
- in der Familie (streng genommen Blutsverwandschaft):
- zwei Frauen von Brustkrebskrebs betroffen sind, mindestens eine davon vor dem 51. Lebensjahr
- zwei Frauen von Eierstockkrebs betroffen sind, egal in welchem Alter
- drei Frauen von Brustkrebs oder Eierstockkrebs betroffen sind, egal in welchem Alter
- ein Mann von Brustkrebs und eine Frau von Brustkrebs oder Eierstockkrebs betroffen sind, egal in welchem Alter
- eine Frau vor dem 50. Lebensjahr von einem triple negativen Mammakarzinom betroffen ist
Das klingt Alles sehr kompliziert, aber lasst euch im Zweifelsfall einfach in einer humangenetischen Sprechstunde beraten.
Wie läuft es ab?
Idealerweise solltet ihr das Thema bei eurem nächsten Frauenarztbesuch ansprechen, wenn ihr in die oben genannten Kriterien fallt. Dieser überweist euch dann zum nächsten Humangenetischen Institut mit einem Überweisungsschein zum Erstgespäch.
Wenn ihr keine Überweisung bekommen solltet, dann ist es auch möglich ohne Überweisung, nach Vorlage eurer Krankenversicherungskarte, ein Beratungsgepräch kostenlos wahrzunehmen. Also Selbst ist die Frau :-).
In diesem sehr interessanten und aufschlussreichem Gespräch wird ein Stammbaum mit den erkrankten Personen der Familie erstellt und es erfolgt eine ausgiebige Beratung zu diesem Thema. Wenn das Gespäch ergibt, dass ihr in die zu testende Gruppe fallt und ihr einverstanden seid, dann wird euch ein Röhrchen Blut zur Untersuchung abgenommen. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Falls ihr nicht getestet werdet oder euch dagegen entscheidet fallen für das Gespäch, soweit ich informiert bin, keine Kosten an.
Und was dann – Prävention ist Alles!
Wenn ihr zu den Hochrisikopatienten gehört, dann werdet ihr in ein intensiviertes Früherkennungsprogramm eingebunden und per Ultraschall, Tastuntersuchung und ggf. MRT oder Mammographie regelmässig beurteilt.
Wann? | Was? | Wie oft? |
ab dem 25. Lebensjahr (bzw. 5 Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie) | Selbstuntersuchung der Brust Tastuntersuchung durch Frauenarzt Brust-Ultraschall | jeden Monat alle 6 Monate alle 6 Monate |
ab dem 30. Lebensjahr (oder ab dem 35. Lebensjahr, abhängig von der Brustdrüsendichte) | Mammographie | jährlich |
zwischen dem 25. und 50. Lebensjahr bei Mitgliedern von Hochrisikofamilien oder bei unklaren Ultraschall-/Mammographiebefunden | Kernspinmammographie | jährlich |
(Quelle: Konsortium für das Hereditäre Mamma- und Ovarial-Karzinom der Deutschen Krebshilfe )
Das klingt auf den ersten Blick nach vielen Terminen, aber zusammengefasst bedeutet es alle halben Jahre beim Frauenarzt die Brust untersuchen und einen Brustulltraschall durchführen zu lassen, und ggf. ergänzt durch eine Mamographie, und in sehr seltenen Fällen eine MRT Untersuchung.
Wer Wissen hat, hat auch Macht über die Entscheidungen in Bezug auf den eigenen Körper!
Ihr habt je nach Risiko auch die Möglichkeit euch zum Beispiel nach den Wechseljahren eure Eierstöcke entfernen zu lassen um eurer Risiko an Eierstoskkrebs zu erkranken massiv zu reduziern. Denn die Mutationen in den Genen können nicht nur das Brustkrebsrisiko, sondern auch das Eiserstockkrebsrisiko erhöhen.
Ihr kennt vielleicht das Beispiel von Angelina Jolie, welche sich beide Brüste entfernen lassen hat. Ihre Mutter starb mit 56 Jahren an Brustkrebs und ihr eigenes Risiko lag bei 87% Brustkrebsund 50% Eierstockkrebs zu bekommen im Laufe ihres Lebens. So entschied sie sich durch diesen Eingriff die Wahrscheinlichkeit maximal zu minimieren. Ich verlinke euch den Spiegelartikel als Extrembeispiel für Entscheidungen, die man treffen kann, wenn man Wissen hat.
Etwas zum Nachdenken – dieser Beitrag soll euch zu eigenen Entscheidungen mit genug Hintergrundwissen ermächtigen!
Ich wünsche Euch einen wunderschönen Tag!
Eure Femdoc
Bild: Pexel – Olya Kobruseva